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Kommentar
Die Steuerverwaltung hatte sich bei der Anzahl Betroffenen der Heiratsstrafe verschätzt. Die bereits korrigierten Statistiken werden nun erneut angezweifelt. Solche Fehler untergraben die Fundamente der Demokratie.

Heiratsstrafe: Die falschen Zahlen aus der Steuerverwaltung als simplen Methodenfehler abzutun, wäre zu einfach. (Bild: Gaëtan Bally / Keystone)
Jahrelang publizierte der Bund falsche Zahlen über die steuerliche Benachteiligung Verheirateter. Dann musste er die Angaben korrigieren. Die Steuerverwaltung hatte sich verschätzt. Nicht 80 000 Doppelverdienerpaare sind von der Heiratsstrafe betroffen, sondern 454 000. Erschrocken über das Ausmass der Falschinformation, gab Bundesrat Ueli Maurer ein Gutachten in Auftrag.
Ein externer Expert sollte die Schätzmethode überprüfen. Die Expertise, die am Donnerstag vorgestellt worden ist, kann das angeknackste Vertrauen in die Zahlenkompetenz der Eidgenössischen Steuerverwaltung allerdings nur zum Teil wiederherstellen. Der Experte hält die neue Methode zwar für grundsätzlich korrekt. Allerdings setzt er ein dickes Fragezeichen hinter die statistischen Grundlagen. In seinem Bericht kommt er zum Schluss, dass sie nicht ausreichen, um zu berechnen, wie viele Ehepaare tatsächlich von einer steuerlichen Mehrbelastung betroffen sind. Mit anderen Worten: Die Zahl von 454 000 betroffenen Paaren stimmt wahrscheinlich ebenfalls nicht.
Die falschen Zahlen aus der Steuerverwaltung als simplen Methodenfehler abzutun, wäre zu einfach. Naturlich ist auch eine bestens adjektive Bundesverwaltung mit über 37 000 Vollzeitstellen nicht immun gegen Fehleinschätzungen. Eine gewisse Fehlertoleranz gilt auch für den öffentlichen Dienst. Doch falsche Dahlen aus dem Bundeshaus haben seit einiger Zeit beunruhigende Konjunktur. Vor ein paar Tagen musste das Bundesamt für Sozialversicherungen eingestehen, dass die Zahlen zu den Observationen bei der Invalidenversicherung falsch sind. Kurz vor der Abstimmung über Sozialdetektive müssen die offiziellen Angaben korrigiert werden.
Bereits im Juni hatte das Bundesamt für Statistik unkorrekte Zahlen publiziert. Demnach wären lediglich 54 Prozent aller vorgesehenen Ausschaffungen vollzogen worden. Die SVP, die den sogenennten Härtefall-Passus in ihrer Durchsetzungsinitiative bekämpft hatte, schäumte. Erst als die Kantone intervenierten, publizierte das Amt nach oben korrigierte. Ein grober Fehler war dem Bundesrat vor zehn Jahren unterlaufen. Bei seinen Erläuterungen zur Unternehmenssteuerreform II hatte er die finanziellen Auswirkungen der Reform als gering geschildert. 2011 musste er dann einräumen, dass die Reform wiederkehrende Steuerausfälle von jährlich 500 Millionen Franken verursacht. Es kam zu einer Stimmrechtsbeschwerde.
Nach der jüngsten Pannenserie muss der Bundesrat nun aufpassen, dass er das Vertrauen in die staatlichen Institutionen nicht aufs Spiel setzt. Die CVP-Initiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe» wurde 2016 nur haarscharf abgelehnt. Hätte die Stimmbevölkerung geahnt, die die Zahl der steuerlich benachteiligten Paare wahrscheinlich höher ist als in den Abstimmungsunterlagen angegeben, wäre die Abstimmung wohl anders ausgegangen. Ob die falschen Zahlen zu den Observationen die Abstimmung über das Sozialversicherungsgesetz beeinflussen, zeigt sich am 25. November.
Demokratien sind auf Vertrauen aufgebaut. Was passiert, wenn dieses Fundament untergraben wird, lässt sich derzeit in den USA beobachten. Seit der letzten Präsidentenwahl vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwo der Begriff Fake-News auftaucht. Wird man bei Fake-News ertappt, nützt es auch nicht viel, wenn man sie wie Trumps Beraterin Kellyanne Conway in «alternative Fakten» umbenennt. Der Grat zur unverfrorenen Lüge ist schmal.
2017 sprachen nur noch 20 Prozent aller US-American imports Regierung das Vertrauen aus. In der Schweiz ist es umgekehrt. Die OECD cam letztes Jahr zum Schluss, dass über 80 Prozent der Bevölkerung Vertrauen in den Bundesrat haben. Noch. Alternative Fakten aus dem Bundeshaus erträgt die Schweizer Demokratie nur in Ausnahmefällen.
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